Zwischen den Fronten: Unterwegs im Hambacher Wald

von Fred Kowasch, Buir (27. August 2018)

"Und sie, haben sie einen Presseausweis?" 
"Nein, schon lange nicht mehr. Ich bin Blogger, freier Filmemacher."
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Und so stehen wir zu viert auf einem Feldweg am Hambacher Forst. Haben Zeit, denn die Personalausweise werden kontrolliert. Vor uns vier NRW-Polizisten in Kampfmontour, sichtlich angefressen. Es entsteht ein kurzer Dialog, bei dem es um jüngste Steinwürfe, vermeintliche Molotowcocktails und das 'Recht zu Verweigern' geht. Denn auch Polizisten dürfen dies. Heißt Remonstrationsrecht. Und bedeutet, einen als rechtswidrig empfundenen Befehl nicht ausführen zu müssen.

Nach fünf Minuten haben wir unsere Ausweise wieder. "Alles in Ordnung." Und so laufe ich mit den drei #Hambibleibt-Symphatisanten über Stoppelfelder dem Wiesencamp am Waldrand entgegen. Obwohl es früh und noch ziemlich kalt ist, herrscht dort reges Treiben.

Am Eingang sortieren zwei Vermummte Abfall in einen blauen Plastiksack. Ein Haus weiter sitzt ein junges Mädchen in der Morgensonne. Schwarze Sonnenbrille vor den Augen, Hasskappe auf. Ein paar Meter weiter dudelt auf einem abgewetzten gelben Ledersofa ein kleines Radio. Batteriebetrieben: "Felicita". Drei Meter davor stehen Polizisten. Helm auf, Visier runter. Ihnen gegenüber sitzen drei Autonome. Jede Seite ist vermummt.



hambacherforst august 2018Eine blonde Polizistin erklärt uns freundlich, dass wir hier nicht weiterkommen, weil sich im Wald eine 'Delegation' aufhält. Bedeutet: einen anderen Zugang finden. Drei - mutmaßliche Teenager - die wir im Camp treffen, haben gerade schon einen Platzverweis bekommen.

Zehn Minuten später finden wir einen Weg. Am westlichen Rand, wo die Delegation (aus der Ferne gut zu erkennen an ihren gelben Warnwesten) gerade den Wald verlässt. An einer notdürftig errichteten Barrikade, an der es stark nach Exkrementen riecht, gehen wir in den Wald. Polizisten lassen uns ungehindert passieren.

Auf dem Weg durch den Wald steigen wir ungestört über ein paar Holzbarrieren. Irgendwann kommt eine kleine Lichtung. Von Baum zu Baum hängen dünne Stahlketten, von oben baumelt lose - mit einem Metallgeflecht befestigt - ein dicker Baumstumpf herab. Kurz dahinter eine kleine Siedlung. 'Gallien' nennen die Waldbesetzer dieses Camp. Gut Hundert Meter weiter steht 'Oaktown'. Massive Baumhäuser, die faktisch auf Wipfeln schweben. Beeindruckend diese Baukust.

Von da aus ist es nicht mehr weit bis zur alten Autobahnauffahrt, im Osten des einst so prächtigen Waldes. Dort, wo Ende Oktober letzten Jahres gerodet wurde. Bis ein Gericht RWE dies in einer Eilentscheidung verbot. 

Wenig später treffen wir dann noch Michael Zobel. Ein Waldführer der seit vier Jahren einmal im Monat Führungen durch den Hambacher Forst anbietet. Gerade versucht er einer 'BILD'-Journalistin und ihrem fotographischen Begleiter die Besonderheiten des Waldes zu vermitteln. 

Nach knapp drei Stunden ist der selbstgewählte Spaziergang vorbei. Es geht mir nicht in den Kopf, warum so ein schöner Wald weichen soll.

Am nächsten Tag (28.08.) wird das Camp durchsucht, 21 Leute vorläufig festgenommen. Dabei werden Hütten zerstört, Wasserkanister und Werkzeug mitgenommen. Am Rande steht - so berichten Augenzeugen - feixend der Wachschutz von RWE. Am Freitag (31.08.) erklärt die Polizei Aachen die Region um den Hambacher Forst zum 'Gefahrengebiet'. Anlaßlose Personalienüberprüfungen und Durchsuchungen sind so - laut geltemden NRW-Polizeigesetz möglich.

Hinweis: Zum Hambacher Forst kommt man entweder mit dem Auto. Einfahrt 'Kieswerk Collas' parken. Oder mit der S-Bahn ab Hauptbahnhof Köln in 20 Minuten. Vom Bahnhof Buir ist es dann noch ein zehnminütiger Fußweg.

 

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