Im Wortlaut: Hagen Brandstäter an die RBB-Belegschaft (08.08.2022)

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es steht nicht gut um den rbb. Über Wasser gehalten haben ihn in den vergangenen Wochen vor allem die Menschen, die sich ungeachtet aller Störungen von innen und außen jeden Tag um ihre Arbeit gekümmert haben, im Programm, in der Verwaltung, in der Produktion. Deshalb beginne ich mit meinem Dank an Sie: Für viele von Ihnen war die tägliche Arbeit oft am Rande der Zumutung. Sie mussten und müssen Fragen, Beschimpfungen, Häme über sich ergehen lassen, die ihre Ursache nicht in Ihrer Arbeit hat, sondern in dem, was an der Spitze des Hauses getan oder versäumt wurde. Wer so etwas zumindest nicht bei der Arbeit erleben musste, erlebte es trotzdem im privaten Kreis. Ich danke Ihnen allen für Ihre Loyalität zu diesem Sender und zu unserem Publikum. Ich bitte Sie gleichzeitig um Entschuldigung dafür, dass wir, dass die Geschäftsleitung des rbb diese Situation nicht verhindern oder wenigstens schnell abwenden konnten bzw. es verhindert haben.

Seit gestern Abend liegt die Leitung des rbb in meinen Händen, ich nehme diese Aufgabe im Team mit der Geschäftsleitung an. Ich sehe unsere wichtigste Aufgabe darin, jetzt auf Sie alle zuzugehen und um Ihr Vertrauen zu werben. Voraussetzung für neues Vertrauen ist aus meiner Sicht die Aufklärung aller Fragen, die uns jetzt vorliegen. Wir sind damit noch nicht sehr weit, ein Blick ins Intranet zeigt das. Aber wir machen Fortschritte, ich bitte Sie um Geduld. Und: wir sollten gemeinsam den Blick nach vorne richten.

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Der zweite Schritt zu neuem Vertrauen ist für mich das Gespräch: Wir als Leitung des Hauses müssen wieder besser zuhören, müssen uns besser erklären. Wir werden dafür auf Sie zukommen. Wir werden regelmäßig Formate anbieten, in denen Kritik und Austausch möglich sind. Wir beginnen mit einer 14-täglichen Belegschaftsversammlung, der erste Termin ist morgen. Der rbb ist immer ein Gemeinschaftswerk, das ist meine Überzeugung. Ich möchte, dass wir alle wieder dieses Gefühl teilen. Auch dieser Weg wird Zeit brauchen. Die Geschäftsleitung ist aber entschlossen, ihn zu gehen und weiß, dass wir das Ziel ohne Ihr Zutun nicht erreichen werden. Ich lade Sie herzlich ein und bitte Sie, mitzumachen, auch wenn es Ihnen aus guten Gründen gerade schwer fallen sollte.

Die Geschäftsleitung und ich erteilen dabei einem „Weiter so!“ eine Absage. Wir wollen Entscheidungen kritisch und selbstkritisch überprüfen, sei es die Frage nach den variablen Gehaltsbestandteilen oder die Dimensionierung des Digitalen Medienhauses. Wir wollen Lösungen, von denen nicht Einzelne, sondern vor allem der rbb und sein Programm profitieren. Auch darüber möchten wir mit Ihnen wieder intensiver sprechen. Wir, die aktuelle Leitung des Hauses, in der ich mich nur als Erster unter Gleichen sehe, sind jetzt Sachwalter auf Zeit, ein neuer Intendant oder eine neue Intendantin werden die Geschäfte in absehbarer Zeit übernehmen. Ich möchte ein Feld übergeben, das bestellt ist. Ohne Ihre Unterstützung wird das nicht gelingen. Bitte bringen Sie sich ein! Ein kleines "Aber" muss jetzt noch sein. Bitte lassen Sie nicht zu, dass alles, was wir in den vergangenen Jahren gemeinsam erreicht haben, nun schlecht geredet oder geschrieben und alles grundsätzlich in Frage gestellt wird. Es gibt viel, auf das wir stolz sein können.

Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen und die gemeinsame Arbeit an einem rbb, um den es dann hoffentlich bald wieder besser steht als jetzt.

Herzliche Grüße, Hagen Brandstäter"

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